Beobachtend beobachtet

Samuel Herzog im Jahreskatalog, Kunsthalle Palazzo Liestal, 1998
Über Passing By das in der Ausstellung Amorph und Zuspiel zusammen mit Arbeiten von Beat Brogle, Harald Pridgar und Jaqueline Jurt gezeigt wurde

Bevor man in den Raum mit der interaktiven Installation Amorph tritt, passiert man eine Art Initiationsweg, der auf zwei wesentliche Elemente dieser gemeinsamen Arbeit von Beat Brogle und Philipp Gasser vorbereitet: Interaktion und fliessend Formveränderung

Im ersten Raum, der eher ein Durchgang ist, muss man einen Projektionsstrahl passieren und wirft so mit seinem Körper einen Schatten auf die Wand. Plötzlich löst sich aus diesem Schatten die mit wenigen Strichen gezeichnete Figur eines jungen Mannes, der durch die Projektionsfläche schreitet und uns vertraulich zuzwinkert. Wir bleiben stehen und blicken auf die nun wider leere Fläche. In unregelmässigen Abständen taucht die Figur auf, mal schreitet sie nur vorbei, mal tänzelt sie ein wenig, inszeniert einen kleinen Striptease oder formt die Lippen zum Kuss. Kurz: Der Mann benimmt sich wie jemand, der an einem Schaufenster vorbeigeht oder sich unbeobachtet vor einem Spiegel glaubt – die Projektionsfläche ist dabei quasi der Spiegel, auf den wir von der anderen Seite her blicken und uns zu Zeugen kleiner narzisstischer Aktionen machen. Dadurch aber, dass die einzelnen Animationssequenzen – sie sind zusammengesetzt aus rund 900 Strichzeichnungen – in unregelmässigen Abständen und in unvorhersehbarer Reihenfolge abgespielt werden, entsteht der Verdacht, dass es unserer Präsenz im Raum sein könnte, die Abfolge und Art der Sequenzen bestimmt etwa via eine Fotolinde. Der Schattenriss, den unser Körper auf die Wand wirft, tut sein Übriges: Die Projektionsfläche wird zur Reflexionsfläche in der sich nun unserer eigenen narzisstischen Aktionen spiegeln. Sowohl der Schattenriss als auch das Gefühl, Auslöser der Sequenzen zu sein verwandeln uns aber auch von Beobachtern in Beobachtete.